Hardware-Bootstrapping ohne Investoren: Everhome's Weg zu 3 Millionen Euro Umsatz

Hardware-Bootstrapping ohne Investoren: Everhome's Weg zu 3 Millionen Euro Umsatz

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Sebastian Terhorst hat mit seinen zwei Brüdern und seinem Vater aus einem persönlichen Bedürfnis heraus ein beeindruckendes Hardware-Unternehmen aufgebaut. Was 2015 im elterlichen Dachgeschoss begann, ist heute Everhome – ein Unternehmen mit 10 Mitarbeitern und einem prognostizierten Jahresumsatz von 3 Millionen Euro.

Das Besondere: Alles ohne externe Investoren und mit einem Geschäftsmodell, das komplett auf Abo-Gebühren verzichtet.

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Die Geburtsstunde im Familienkreis

Die Geschichte von Everhome beginnt mit einem alltäglichen Problem. Sebastians Familie suchte eine Lösung, um Rollläden über 433 MHz komfortabel per App zu steuern. Die vorhandenen Lösungen mit kryptischen Handsendern waren umständlich, eine moderne Alternative fehlte. "Wir brauchten im Grunde in der Familie eine Lösung, um Rollläden über 433 MHz zu steuern. Da gab es vorher so Handsender mit einem Display, die man wild programmieren konnte, aber nicht mit einer vernünftigen UI", erklärt Sebastian.

Also entwickelte der Informatikstudent kurzerhand selbst eine Lösung. Die erste Cloudbox war geboren – zunächst nur für den Eigenbedarf. Doch schnell wurde klar: Der Markt hatte auf genau so ein Produkt gewartet. Die ersten Geräte verkauften sich über eine simple Website, die noch im heimischen Arbeitszimmer gehostet wurde.

Das Geschäftsmodell: Hardware ohne Abo-Falle

Everhome verfolgt ein in der heutigen Zeit ungewöhnliches Geschäftsmodell. Die Cloudbox gibt es in verschiedenen Varianten (wird bald zu einer vereinheitlicht) für 199 Euro, der EcoTracker kostet 99 Euro – jeweils als Einmalzahlung ohne jegliche Folgekosten.

"Wir sind persönlich kein Freund vom Abo. Wir versetzen uns halt in den Kunden rein und sagen, okay, ich habe jetzt hier dieses Gerät, hätte ich Lust darauf, da monatlich zwei Euro zu bezahlen?"

Diese Philosophie zieht sich durch das gesamte Unternehmen. Selbst die Cloud-Kosten und App-Updates sind im Kaufpreis enthalten. Möglich wird das durch konsequente Eigenentwicklung: Von der Time Series Database über die Cloud-Infrastruktur bis zur Hardware-Produktion behalten sie alles in eigener Hand.

Der Gamechanger: EcoTracker

2023 kam dann der große Durchbruch – wieder aus einem familiären Bedürfnis heraus. Sebastians Mutter hatte ein Balkonkraftwerk installiert und wollte wissen, wann es sich amortisiert. Die Lösung: Der EcoTracker, ein kleiner Sensor, der magnetisch am digitalen Stromzähler befestigt wird und per Infrarot Echtzeitdaten ausliest.

Die Zahlen sprechen für sich: Der EcoTracker macht heute 95 Prozent des Umsatzes aus und hat zu einer Verfünffachung des Geschäfts geführt. Statt über den eigenen Shop verkauft Everhome hauptsächlich über Händler, die den EcoTracker zusammen mit Balkonkraftwerken oder Speichersystemen anbieten.

Technologie: Alles selbst gemacht

Der Tech-Stack von Everhome ist beeindruckend durchdacht. Die Hardware basiert auf ESP32-Prozessoren mit 240 MHz und läuft mit purem C++. Im Backend setzen sie auf:

  • Eigene Server bei Hetzner statt Cloud-Anbieter
  • Talos OS mit Kubernetes für die Container-Orchestrierung
  • Go als Programmiersprache für alle Backend-Services
  • Selbstentwickelte Time Series Database für effiziente Datenspeicherung

"Wir können mit 50.000 Geräten so effizient arbeiten, dass das auch hier auf meinem Laptop laufen könnte", erklärt Sebastian stolz. Die Platinen-Designs entstehen in Deutschland, gefertigt wird in China – mit Lieferzeiten von nur zwei bis sechs Wochen.

Die Herausforderungen des Bootstrappings

Nicht alles lief glatt. Hardware-Entwicklung bedeutet Vorinvestitionen und das Risiko defekter Chargen. "Wir hatten bestimmt zwölf Iterationen vom EcoTracker, die nicht funktioniert haben", gibt Sebastian zu. Auch Lastprobleme bei plötzlichen Nachfrageschüben führten zu Freitagnachmittagen im Krisenmodus.

Die größte Herausforderung bleibt jedoch das Wachstum ohne externes Kapital zu finanzieren. Jede Bestellung in China muss vorfinanziert werden, das Lager will gefüllt sein. Trotzdem bleibt das Team bei seiner Philosophie: "Wir sind aktuell nicht auf der Suche nach Investoren. Mit dem Weg sind wir bisher ganz gut gefahren."

Die wichtigsten Learnings nach 10 Jahren

  • Produkt vor Marketing: "Du machst das Produkt so gut, dass die Leute es auf jeden Fall haben wollen"
  • Kontrolle behalten: Eigenentwicklung von Cloud bis Hardware ermöglicht niedrige Kosten
  • Ökosystem denken: Kompatibilität mit Drittanbieter-Geräten statt eigener Insellösungen
  • Kunden ernst nehmen: Feedback ist der wichtigste Input für neue Features
  • Nachhaltig wachsen: Lieber organisch als mit fremdem Geld
  • Familie als Stärke: "Man hat ein anderes Vertrauensverhältnis"

Mit Plänen für Frankreich (EcoTracker P1) und weitere europäische Märkte steht Everhome vor der nächsten Wachstumsphase. Das Ziel bleibt dabei gleich: Hardware-Produkte zu fairen Preisen ohne versteckte Kosten – und das alles made in Germany, mit Herz und ohne Investoren.


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Andreas Lehr