
Medea Lorenzen hat 200.000 Euro in ihr Food-Startup Gain Kitchen investiert und macht monatlich 25.000 Euro Umsatz – ist aber noch nicht profitabel. Die 30-jährige Kölnerin produziert proteinreiche Erdnussaufstriche ohne Zucker und finanziert ihr Unternehmen durch Freelancing als Projektmanagerin. Ein ehrlicher Einblick in die Höhen und Tiefen des Bootstrappings im Food-Bereich.
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Von der Nussmus-Maschine zum eigenen Food-Startup
Die Gründungsgeschichte von Gain Kitchen beginnt ungewöhnlich: In Ägypten entdeckte Medea eine Nussmus-Maschine, mit der man sich frisches Nussmus selbst zapfen konnte. Zurück in Deutschland bestellte sie sich kurzerhand eine solche Maschine nach Hause – für den Preis einer High-End-Kaffeemaschine. "Ich bin nachts aufgewacht und hatte das Bedürfnis von dieser Nussmusmaschine. Was kann ich cooles damit machen?", erzählt die Gründerin.

Als Sportlerin und selbsternannte Foodie experimentierte Medea monatelang in ihrer Küche. Ihr Ziel: Den "verbotenen Nutella-Löffel-Moment" nachzustellen – aber mit einem Produkt, das bei Fitnesszielen hilft. Das Ergebnis sind Erdnussaufstriche mit über 30% Proteinanteil, ohne Zucker, aber mit knusprigen Crispies. Statt herkömmlichem Zucker verwendet sie Erythrit, einen kalorienfreien Zuckerersatz.
Geschäftsmodell und die harte Realität der Zahlen
Gain Kitchen verkauft aktuell sieben Sorten des "Protein Spread" für 8,90 Euro pro Glas. Mit einem monatlichen Umsatz von etwa 25.000 Euro ist das Unternehmen jedoch noch nicht profitabel. Die Herausforderung liegt in den geringen Margen: Ein Glas kostet in der Produktion knapp 3 Euro – eine für E-Commerce-Verhältnisse schwierige Ausgangslage.

"Food hat halt nicht eine Marge wie andere E-Com Produkte", erklärt Medea die Problematik. Die hohen Kosten entstehen durch Premium-Zutaten wie Rohkakao, Ceylon-Zimt und Bourbon-Vanille. Dazu kommen Mindestbestellmengen von 4.000 Gläsern pro Sorte beim Lohnhersteller, was erheblich Kapital bindet.
Um die Komplexität zu reduzieren, plant die Gründerin, das Sortiment auf die drei Bestseller zu reduzieren: Schoko, Vanille und wahrscheinlich Pistazie. Parallel entwickelt sie neue Produkte mit besseren Margen, darunter einen Kaffeeersatz mit Vitalpilzen.
Marketing-Strategie und Community-Building
Der Hauptumsatz von Gain Kitchen kommt über E-Mail-Marketing. Medea verschickt drei Newsletter pro Woche mit viel Storytelling. Auf Instagram hat sie 8.000 Follower aufgebaut und bindet ihre Community aktiv ein: Bei monatlichen Gewinnspielen können Kunden ihre Kreationen mit den Spreads teilen, neue Produkte werden gemeinsam mit 40 Stammkunden in einer WhatsApp-Gruppe entwickelt.

"Ich entwickle alles zusammen mit meiner Community", betont die Gründerin. Performance Ads über eine externe Agentur laufen "up and down", weshalb sie verstärkt auf Influencer-Marketing setzen will. TikTok wurde nach anfänglichen Versuchen wieder eingestellt – zu komplex für eine One-Woman-Show.
Tech-Stack einer Solo-Gründerin
Medeas Setup ist auf Effizienz ausgelegt:
- Shopify als Shop-System
- Klaviyo für E-Mail-Marketing
- Billbee für die Warenwirtschaft (Verbindung zu Amazon)
- Fulfillment und Lohnhersteller für ortsunabhängiges Arbeiten
- KI-Tool "Christiani AI" für Content-Erstellung
- Monatliche Software-Kosten: etwa 900 Euro
Die Schattenseiten des Bootstrappings
Nach zwei Jahren und über 200.000 Euro Investment kämpft Medea mit Zweifeln: "Du arbeitest jetzt zwei Jahre an diesem Projekt und das bringt dir keinen Cent, das zieht dir dein ganzes Geld aus der Tasche." Die Finanzierung über ihr Freelancing-Business (20 Stunden/Woche) ermöglicht zwar Unabhängigkeit, bedeutet aber auch Doppelbelastung.
Die Herausforderungen im Food-Bereich sind vielfältig: geringe Margen, hohe Marketingkosten für Vertrauensaufbau, Konkurrenz durch große Marken und die Gefahr, kopiert zu werden. Ein geplanter Auftritt bei "Die Höhle der Löwen" scheiterte, weil das Produkt noch nicht fertig war.
Learnings einer Food-Gründerin
- Marge ist alles: "Wäre ich aus einer anderen Perspektive an diese Gründung rangegangen, hätte ich einiges ganz anders gemacht"
- Komplexität reduzieren: Weniger Sorten, bessere Kapitalbindung
- Community first: Enge Kundenbindung schafft echte Fans
- Eigene Produktion als Lernphase: Das Wissen hilft bei Verhandlungen mit Lohnherstellern
- Balance wahren: "Ich möchte mir ein Business aufbauen, wo ich ortsunabhängig bin"
- Mentale Gesundheit: Regelmäßige Reflexion über Sinn und Fortführung des Projekts
Trotz aller Herausforderungen bleibt Medea kämpferisch: Das Ziel, auf Hotelfrühstücksbuffets präsent zu sein und Unternehmern eine gesunde Alternative zu bieten, treibt sie weiter an.
Was ich im Interview gelernt habe
Medeas Offenheit über die finanziellen Herausforderungen und Selbstzweifel hat mich beeindruckt – diese Ehrlichkeit ist selten in der Gründerszene. Besonders fasziniert hat mich ihr Community-Ansatz: Mit ihrer WhatsApp-Gruppe von 40 Stammkunden, die Prototypen testen und direktes Feedback geben, zeigt sie, wie man trotz kleinem Budget extrem nah am Kunden entwickeln kann.
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