
Andreas Mühe hat einen ungewöhnlichen Weg gewählt: Statt sich auf ein Produkt zu fokussieren, betreibt er als Solo-Founder gleich acht SaaS-Tools parallel. Mit seiner Firma ivy.mayhem zeigt er, dass Multi-Product-Strategien funktionieren können – auch wenn der Preis dafür hoch ist.
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Vom Agentur-Inhaber zum Serial-SaaS-Gründer
Andreas' Weg begann klassisch: Nach Jahren als angestellter Mediengestalter in Hamburg gründete er 2020 die Agentur Stellar Projects. Doch schon früh zeigte sich sein Drang nach eigenen Produkten. "Ich hatte diesen Drang, was Eigenes zu machen", erinnert sich Andreas.
Das erste SaaS-Produkt Eniston entstand 2020 aus eigenem Bedarf – eine simple Wiki-Software für sein damaliges Community-Projekt. Seitdem kamen stetig neue Tools dazu: Inprivy für sicheres Teilen von Zugangsdaten, FeatureShift als Feedback-Board, Releases für Changelogs und zuletzt Deftform, ein minimalistischer Formularbuilder.

Die Strategie dahinter? Jedes Tool löst ein konkretes Problem, das Andreas selbst hatte. Vier Produkte hat er bereits wieder eingestellt – eine für Bootstrapper durchaus respektable Hit-Rate.
Das Geschäftsmodell: AppSumo als Fluch und Segen
Andreas experimentiert noch mit Preismodellen. Die meisten Tools bietet er als Lifetime-Deals zwischen 49 und 220 Euro an. Der Großteil der Umsätze kommt über AppSumo, wo er satte 60% Provision abgibt.

Die Zahlen schwanken stark: In guten Monaten macht er 4.000-5.000 Dollar über AppSumo, im Februar erzielte allein Deftform 10.000 Dollar. "Die Menge macht es in dem Fall", erklärt Andreas pragmatisch zur hohen Provision.
Das Problem: Viele AppSumo-Kunden kaufen aus FOMO und lösen ihre Codes oft erst Monate später ein – oder nie. Gleichzeitig produzieren sie unverhältnismäßig viel Support-Aufwand für wenig Ertrag.
Marketing: Die große Schwachstelle
Marketing ist Andreas' Achillesferse. Eigene Werbekampagnen über Google Ads und Meta verschlangen tausende Euro ohne nennenswerte Conversions. Newsletter-Marketing macht er kaum:
"Wenn ich dann persönlich die Abmeldungen sehe und die Gründe, was Leute sagen... irgendwie stört mich das, dass ich die Leute nerve."
Seine Lösung? Zurück zu AppSumo. Als er Deftform von der Plattform nahm, brachen die Verkäufe ein. Die Abhängigkeit frustriert ihn, aber Alternativen fehlen. Er sucht händeringend nach einem Marketing-Freelancer, der ihm diese Last abnimmt.
Der Tech-Stack: Bewährt und pragmatisch
Andreas setzt auf einen soliden Stack:
- Backend: Laravel (PHP)
- Frontend: Tailwind CSS, Alpine.js, Livewire
- Payment: Lemon Squeezy
- IDE: VS Code mit GitHub Copilot
Von KI-Tools wie Cursor hält er wenig: "Wenn mir dann irgendwie ein richtig fetter Batzen Code vorgeschlagen wird nebenbei, das schmeißt mich so aus dem Flow raus." Er schreibt seinen Code lieber selbst – vielleicht auch ein Grund, warum acht Produkte parallel zur Belastung werden.
Die dunkle Seite des Multi-Product-Ansatzes
Der Support für acht Produkte nimmt ordentlich Zeit in Anspruch "Es sind einige Tage, wo ich wirklich die ersten ein, zwei Stunden am Tag damit verbringe, E-Mails zu beantworten", gesteht er. Besonders frustrierend: triviale Fragen von AppSumo-Kunden, die für wenige Dollar gekauft haben.
Die Work-Life-Balance? Andreas arbeitet bis spät abends, Sport oder Hobbys gibt es nicht. "Sonntags ist der einzige Tag, wo ich versuche, den Rechner auszulassen. Klappt mal so, mal so."
Die vielen Context-Switches zwischen den Produkten zermürben. Manche Tools liegen monatelang brach, während er an anderen arbeitet. Seine Feature-Listen? 45 offene Punkte bei Aniston, 59 bei Deftform – "wenn ich die Listen aufmache, wird mir irgendwie warm. Also negativ warm."
Learnings aus dem Bootstrapping-Marathon
- Fokus schlägt Diversifikation: Acht Produkte sind für einen Solo-Founder vielleicht zu viel
- Marketing ist kein Nice-to-have: Ohne aktives Marketing bleibt die AppSumo-Abhängigkeit
- Support skaliert nicht linear: Mehr Produkte = exponentiell mehr Support-Chaos
- Preisexperimente sind wichtig: One-Time-Payments vs. Subscriptions – die ewige Suche nach dem richtigen Modell
- Team-Aufbau ist überfällig: "Ich suche aktiv jemanden", sagt Andreas – höchste Zeit
Was ich als Interviewer gelernt habe
Andreas' Ehrlichkeit über seine Struggles hat mich überrascht. Während viele Gründer ihre Herausforderungen beschönigen, legt er schonungslos offen, wie belastend acht parallele Produkte sind. Besonders erstaunt hat mich seine Aversion gegen Marketing – dass jemand lieber ein neues Produkt baut, als Newsletter zu schreiben, zeigt, wie unterschiedlich Gründer ticken.
Die AppSumo-Abhängigkeit fasziniert mich: Einerseits bringt die Plattform verlässlich Kunden, andererseits frisst sie die Margen auf und produziert Support-Hölle. Andreas' Dilemma zwischen dem Wunsch nach nachhaltigen Subscriptions und der Realität der AppSumo-Cashflows ist ein Lehrstück über die Tücken des Bootstrappings.
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Ich bootstrappe übrigens mein eigenes Unternehmen "We Manage", welches Start-Ups und Unternehmen bei Cloud, DevOps und dem nachhaltigen Betrieb von Web Applikationen hilft - buch dir gerne jetzt ein Termin.
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